2013
Bunter Rock erinnert an die Preußenzeit
Christian Hombergs, Kerstin Schillings und Detlef Albrecht stellen Geschichte auf besondere Weise vor
Von Anja Grevener
Menden. Wem am Sonntag gleich drei Gestalten in preußischer TVacht in der Innenstadt über den Weg liefen, der saß keiner optischen Täuschung oder einem Karnevals-Gag derMKG Kornblumenblau auf. Organisator Detlef Albrecht lief gemeinsam mit den Mendener Geschichtsdarstellern Christian Hombergs und Kerstin Schillings Streife, um für die Ausstellung "Der bunte Rock" zu werben.
Widersprüchliche Zeiten
Im Teufelsturm konnte der Besucher Pistolen, Säbel, Pickelhauben und Uniformen aus der Preußenzeit bewundern, die ein Mendener Privatsammler zusammengetragen hat, und sich auf einen Ausflug in eine widersprüchliche Zeit entführen lassen. Denn so prächtig und bunt die Röcke Preußens auch waren, sie standen, so Christian Hombergs, auch für das große Elend des Krieges.
"Zwar spielt eine gewisse Romantisierung bei meinem Hobby, beim Eintauchen in vergangene Zeiten, eine Rolle und auch der Spaß soll nicht zu kurz kommen, dennoch erinnern wir damit auch an die Mensehen und die harten Bedingungen, unter denen sie leben mussten", erklärte Geschichtsdarsteller Hombergs seinen Antrieb, diese Ausstellung zu unterstützen und bei der Nachstellung von Schlachten, etwa der .Völkerschlacht von Leipzig", mitzuwirken. Vor allem die Rolle der Frau in den Wirren des Krieges hob Hombergs mit Blick auf seine Lebensgefährtin Kerstin Schillings hervor: "Briefe und andere Quellen schildern dramatische Erlebnisse. Nach einer Schlacht suchten die Frauen, die mit Kind und Kegel im Tross des Heeres mitreisten, nach ihren Männern. Mancher verwundete Mann ist durch die eigene Frau gerettet worden."
Doch nicht nur die Soldaten und ihre Familien selbst waren betroffen, auch im Bereich um Menden sorgten große Heerhaufen durch Plünderungen und Einquartierungen dafür, dass manche Landstriche auf Jahre verwüstet wurden und die Bewohner verarmt zurückblieben. Nach dem Abzug der Truppen herrschten oftmals Hunger und Elend, wie die Geschichtsdarsteller eindrücklich zu erzählen wussten und im Gespräch den Besuchern vermittelten.
Uniform für 1000 Euro
Die Leidenschaft für Geschichte und im Speziellen für die Zeit Napoleons und des Deutschen Kaiserreiches lassen sich Hombergs und auch der Sammler einiges kosten. Inklusive schussbereiter Muskete kostet Hombergs farbenprächtige Uniform aus Wolle und Leinen, die nach historischen Vorbildern geschneidert wurde, rund 1000 Euro, ein originales Stück kann noch weit über diesem Preis liegen. Dennoch wollen die Geschichtsinteressierten dazu beitragen, eine vergangene Zeit und die Erinnerung an sie wach zu halten, denn "irgendwann ist alles weg, wenn man es nicht bewahrt. Das hier ist eine Ausstellung gegen das Vergessen."
Über die erste Ausstellung dieser Art, mit der Detlef Albrecht im Teufelsturm mit Gewändern und Rüstungen ins Mittelalter entführt hatte, kam die Verbindung zum Mendener Sammler zustande, der gleich anbot, auch seine Stücke dem Publikum zu zeigen und ihm teilweise sogar in die Hand zu geben, und der Gedanke an einen weiteren Ausflug in die Vergangenheit geistert bereits durch das Gemäuer des Teufelsturms: "Wir sind noch in Verhandlungen mit einer Versicherung wegen des hohen Wertes einer anderen Sammlung, aber im nächsten Jahr planen wir eine Ausstellung, die dann den ganzen Turm ausfüllen soll", kündigte Albrecht an. "Aber welche Epoche dann Thema sein wird, wird noch nicht verraten."
"Das hier ist eine Ausstellung gegen das Vergessen."
Christian Hombergs über seine Präsentation im Teufelsturm
Bildunterschrift: Christian Hombergs, Kerstin Schillings und Detlef Albrecht (von links) in historischen Uniformen. Exponate aus der Preußenzeit sind in der Ausstellung "Der bunte Rock" im Teufelsturm zu sehen. wp-foto: ania grevener
Historische Altstadt auf eigene Faust entdecken
Am Wochenende findet die 4. Mendener Altstadtrallye statt. Eingebunden in Mittelaltermarkt
Menden. 700 Jahre Geschichte in nur 30 Minuten erleben - unter diesem Motto steht einmal mehr die Mendener Altstadtrallye, die am kommenden Wochenende bereits zum vierten Mal stattfindet. Diesmal ist die Veranstaltung eingebunden in den Mendener Frühling und damit den Mittelaltermarkt, der auf dem Alten Rathausplatz Premiere feiert.
Bislang hatte die Wirtschaftsför-derungs- und Stadtentwicklungsgesellschaft (WSG) jeweils Anfang November zum Entdecken der Mendener Altstadt eingeladen. Das Wetter hatte jedoch gleich zweimal nicht mitgespielt und den Rundgangregelrecht ins Wasser fallen lassen. "Und wir finden, dass die Altstadtrallye thematisch sehr gut zum Mittelaltermarkt passt", begründet Stadtmarketingbeauftragter Josef Guthoff die Terminverschiebung.
Anhand einer Laufkarte werden die Teilnehmer erneut zu sieben Stationen geführt. Die jeweiligen Fragen sind wieder so gestellt, dass sie nur vor Ort gelöst werden können. "Hagelbette und Vincenz-Alten-heim sind als neue Stationen aufgenommen worden", berichtet Pascal Knuth, der den Flyer zusammengestellt hat. Der Rundgang führt diesmal auch am neuen Bahnhof vorbei. An einigen Stationen - Stadtmodell, Stadtarchiv, Teufelsturm - stehen Experten für Informationen bereit.
Unter allen Teilnehmern wird als 1. Preis ein Exclusiv-Shopping im Modegeschäft "der Lord" incl. 200-Euro-Warengutschein verlost, thea
Info Die 4. Mendener Altstadtrallye findet am Samstag, 4. Mai, und Sonntag, 5. Mai, statt. Zwischen U und 18 Uhr können sich Interessierte an beiden Tagen jederzeit am WSG-Zelt vor dem Alten Rathaus eine Lau/karte abholen und die Altstadt auf eigene Faust entdecken.
Einstiges Besatzungskind sucht britischen Vater
Sogar den Buckingham-Palast dabei eingeschaltet
Menden. Wie viel Schicksale mögen es tatsächlich gewesen sein? Wie viele Schmerzen mussten die Beteiligten ertragen? Für so manch einen ist es einfach der tief verankerte Wunsch geblieben, den leiblichen Vater vielleicht doch noch kennenzulernen. Der Mendener Detlef Albrecht hilft gerade einem Freund bei dessen Suche nach familiärer Heimat und hat sogar die britische Botschaft und den Buckingham-Palast eingeschaltet.
Detlef Albrecht: "Die Hoffnung stirbt zuletzt', sagt mein Freund Jonny (Name der Redaktion bekannt), wenn er auf seine Kindheit in Lendringsen und die Nachkriegszeit zu sprechen kommt."
Der Fall: Geboren 1947 und aufgewachsen ohne Vater, bis zur 4. Klasse in der Schule in Menden unter dem Mädchennamen seiner Mutter geführt und danach den Namen eines Gefallenen im 2. Weltkrieg getragen. Die Mutter hatte lange vor seiner Geburt geheiratet, die Ehejahre waren kurz und endeten als Kriegswitwe, wie viele. Detlef Albrecht: "Wie konnte das möglich sein, habe ich mich gefragt, und Johnny die Würmer aus der Nase gezogen. Die Antwort ist einfach und doch so vielschichtig: Johnny ist ein Besatzungskind oder wie er lachend immer selbst sagt, ein Wiedergutmachungskind."
Mutter findet die große Liebe
Seine noch junge Mutter fand 1947 Arbeit bei der britischen Besatzungsarmee als Küchenhilfe in der Kaserne auf der Platte Heide in Menden und die große Liebe dazu. Das wurde in vielen deutschen Bevölkerungsteilen nicht gern gesehen und so gut wie totgeschwiegen. Bei der Geburt von Johnny wurde im Mendener Krankenhaus "Vater unbekannt" in die Geburtsurkunde eingetragen, und dabei ist es bis heute geblieben. Bei Fragen nach dem Vater konnte die Mutter richtig böse werden... Einige Fragmente des leiblichen Vaters sind doch bekannt, wie Vorname, Nachname und Dienststellung in der britischen Kaserne von 1947 bis 1949. Detlef Albrecht konnte Johnny im Jahre 2011 überzeugen, den Vater in Großbritannien zu suchen. Der müsste schon weit über 90 Jahre alt sein oder ist auch längst verstorben. Vielleicht sind ja Brüder und Schwestern da und könnten Hinweise geben. Gern wüsste: ,Wie hat mein Vater ausgesehen? Wer war er? Was hat er gemacht, ähnele ich ihm?"
Längst gibt es eine Fülle von E-Mails und Briefen, die nach Großbritannien geschickt wurden, um erste Informationen zu erhalten. Detlef Albrechts Erfahrung dabei: "Je mehr ich mich um Auskunft über den Verbleib seines Vaters bemühte, umso undurchdringlicher wurde der englische Behördendschungel und das Durcheinander. Also habe ich Anfang des Jahres wacker an den englischen Premier David Cameron und die Queen geschrieben."
Kurz vor seinem 66. Geburtstag bekam Johnny eine kurze und höfliche Antwort aus dem Buckingham Palace von Jennie Vine, Stellvertreter des Senior Korrespondenz Officer, die Briefe im Namen der Queen Elizabeth II. beantwortet. Eine Hilfe seitens der Königin sei nicht möglich, aber einige allgemeine Hinweise wurden doch gegeben und die Suche geht weiter. Noch stehen viele Antworten auf Anfragen aus. Etwa vom Premierminister David Cameron und dem britischen Botschafter in Deutschland, Simon MacDonald.
Eine besondere Erinnerung hat Johnny noch: Immer, wenn er als kleiner Junge Blödsinn machte, sagte sein Vater "Du kommst gleich in den "Kallebusch", was umgangssprachlich im Englischen so viel heißt wie Gefängnis.
Johnny ist in Menden nicht der einzige, der seinen britischen Vater sucht. Detlef Albrecht würde auch anderen sein Adressmaterial zur Verfügung stellen. Kontakt unter Detlef Albrecht, Brandstraße 15, 58706 Menden, 02373/7608441 oder Mail info@detalbrecht.de.
Besondere Gäste im Mendener Teufelsturm
Museumsteam begrüßt zum ersten Mal eine Gruppe im Kindergartenalter
Von Laura Grages
MENDEN Der Mendener Teufelsturm ist über die Stadtgrenzen hinaus bekannt, die Mendener hingegen scheinen das alte Gemäuer kaum wahrzunehmen.. Umso erfreuter war das Museumsteam, als sich eine Gruppe des Kindergartens St. Paulus zu Besuch ankündigte.
Etwas mulmig im Bauch war es den Kindern schon, als sie sich mit ihren Erzieherinnen zu Fuß auf den Weg zum Teufelsturm machten. Der Name des Gebäudes hört sich schließlich ziemlich gruselig an. Als sie dann aber von Detlef Albrecht im bunten Narrenkostüm und der amtierenden Kinder-Prinzessin Nicola I in Empfang genommen wurden, war die Angst verflogen.
So ging es schnell die Stufen des Teufelsturms empor, immer dem fröhlichen Albrecht hinterher, der schon seit sieben Jahren ehrenamtlich Führungen vor Ort anbietet. Auf jeder Etage bot sich den Kindern eine andere interessante Attraktion.Alles, was glitzert und glänzt, war bei den Kleinen besonders beliebt. "Die Prinzessin mit dem blauen Kleid ist am schönsten", sagte die fünfjährige Maira und schaute verträumt zur ausstaffierten Schaufensterpuppe im ersten Stockwerk empor. Für Albrecht war es gar nicht so einfach, den Kindem die Geschichte des Turms und des Karnevals altersgerecht nahezubringen. Die Gruppe des Kindergartens St. Paulus waren nämlich die jüngsten Besucher, die er jemals im Turm empfangen hat. "Das ist auch für mich etwas Neues", sagte Albrecht. Noch nicht einmal eine Schulklasse hat den Turm bisher besucht. Hauptsächlich gastieren Karnevalsvereine aus ganz Deutschland im ehemaligen Mendener Stadtturm.
Etwas ängstlich wurden die Kinder dann doch wieder, als sie erfuhren, dass im Teufelsturm einstmals Hexen eingesperrt wurden. Auch die venezianischen Kostüme im dritten Oberge-schoss wirkten in Kinderaugen zunächst unheimlich. Doch die Angst hielt nicht lange an, denn schon bald waren die Kinder von den bunten Kostümen begeistert.
Nachdem die Gruppe die 66 Stufen wieder hinuntergestiegen war, wartete noch eine kleine Überraschung auf die jungen Museumsbesucher. Ein Beutel voll Kamelle darf schließlich für die anstehenden Festtage nicht fehlen.
Stolz hielten die Jungen und Mädchen ihre Geschenken in den Händen, bevor sie den Turm wieder in Zweierreihen verließen.
Albrecht hofft, dass bald noch mehr Mendener den Weg in das historische Gebäude finden. Ihm und seinem Kollegen Achim Fink geht es darum zu zeigen, dass der Teufelsturm mehr zu bieten hat als nur Karneval, denn der Turm birgt schließlich auch ein Stück Heimatgeschichte. Um den Turm bekannter zu machen, haben Albrecht und Fink zum Beispiel Veranstaltungen zum Thema Mittelalter organisiert. In Planung ist für die Zukunft ein Konzept mit dem Namen "Comedy im Turm" Dabei sollen Nachwuchskünstler die Gelegenheit bekommen, auf der Bühne ihr Können zu zeigen.
Bildunterschrift oben: Detlef Albrecht vom Museumsteam des Teufelsturms hat den Kindern gezeigt, dass es im ehemaligen Stadtturm gar nicht teuflisch, sondern eher lustig zugeht
Bildunterschrift unten: Das hat die fünfjährige Lina besonders gefreut: Am Ender der Führung bekam jedes Kind einen Beutel voller Kamelle geschenkt.